Die Welt des Chansons im Pantheon
Zunächst: Die Stimmanalyse. Volltönend, satt, kultiviert, ebenso dunkel wie klar. Jean Faure verfügt über eine ausgereifte Sprechkultur, sie ist der des vielbeschäftigten Synchronschauspielers Joachim Kerzel verblüffend ähnlich. Apropos synchron: Faure ist nicht nur ein Landsmann des französischen Filmschauspielers Jean Reno, er wäre auch eine äußerst passende deutsche Stimme für den Mimen. Aber Reno wird für den deutschen Markt natürlich schon fest synchronisiert - übrigens von Joachim Kerzel.Im Gegenzug jedoch geht Faure mit seinem mittlerweile dritten Chanson-Programm und einem formidablen kleinen Orchester auf Tournee. Und Kerzel nicht. Ätsch. "Gap!" wurde im Vorjahr uraufgeführt und ist das dritte Programm nach den Vorgängern "Pourquoi pas" (2007) und "Les Grands Succès" (2009).
Gap heißt nicht nur eine bekannte Modemarke, sondern auch ein kleiner Luftkurort in den französischen Alpen, zugleich der Geburtsort Faures. Und offensichtlich ein inspirierendes Fleckchen Erde: Boris Vian schrieb dort den Chanson-Klassiker "39 De Fièvre", den Faure und Band herrlich cool-lässig und mit der unbedingt erforderlich fiebrigen Zusatznote interpretieren.
Ganz und gar fabelhafte Musiker hat Jean Faure, der im Pantheon in schwarzer Hose und erdbeerrotem Oberhemd antritt, um sich geschart. Hedayet Djeddikar (Piano, Keyboards, Melodica), Kristaps Grasis (Gitarren, Ukulele, Mandoline), Dirk Ferdinand (Schlagzeug, Percussions, Berimbau), Markus Quabeck (Kontrabass) und der außergewöhnlich talentierte Matthias Höhn (Saxophone, Bassklarinette, Concertinas, Duduk, Ukulele, Charango und weitere Instrumente) verlegen einen allzeit atmosphärisch passenden Klangteppich.
Höhepunkte gibt es viele. "Ma France" von Jean Ferrat gehört sicherlich dazu: Frankreich von unten. "A Bicyclette" aus der Feder von Francis Lai, oftmals gesungen von Yves Montand, ebenfalls. Und "Né Quelque Part" von Maxime Le Forestier. Betont humorig wird's auch mal zwischendurch: Camillo Felgens Klammerblues-Klassiker "Sag' Warum".
Heitere Melancholie versprüht Claude Nougaros "La Pluie Fait Des Claquettes"; die Sozialromantik der Arbeiterklasse beschwören "Les Mains d'Or", die goldenen Hände, herauf. In den Zugaben stapft Gerd Schinkel auf die Bühne, Faures alter Weggefährte aus "Saitenwind"-Tagen, und singt mit seinem früheren Kompagnon den "Katastropheneinsatzplan" aus dem Jahr 1976. Aktueller denn je.
Hagen Haas (General Anzeiger, Bonn 16.06.2011)